Literatur/Sprache

Übersetzer und Dolmetscher für Chinesisch – Ausbildungswege in Deutschland

Dolmetscher in einer Kabine während einer Konferenz in Berlin, Copyright: picture-alliance / dpa
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Im Zuge der weltweiten ökonomischen Bedeutung Chinas ist der Bedarf an professionellen Sprachmittlern gerade für Chinesisch in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Interessenten für eine Tätigkeit in dieser Branche sollten grundsätzlich über eine absolut sichere aktive Beherrschung ihrer Muttersprache verfügen (nicht nur in Bezug auf grammatische und orthographische Regeln, sondern auch hinsichtlich Sensibilität für Stilistik und unterschiedliche Sprachebenen), die erfahrungsgemäß bereits in der Kindheit und Schulzeit angelegt wird.

Jahrelanges Lesetraining

Beim Chinesischen handelt es sich allerdings (wie bei den meisten anderen asiatischen Sprachen) um eine „distante“ Fremdsprache, deren Struktur anders als Englisch, Französisch oder Russisch keinerlei sprachliche Gemeinsamkeiten mit dem Deutschen aufweist. Der isolierende Sprachbau, die Tonalität und die enorme Anzahl von gleich ausgesprochenen Morphemen im Chinesischen stellen den Lerner vor allem in der Anfangsphase vor große Herausforderungen. Das Erkennen und Reflektieren kulturspezifischer Kommunikationsmuster gehört ebenfalls zu den Basiskompetenzen eines Sprachmittlers. Hinzu kommt die einzigartige Komplexität der chinesischen Schrift, deren Beherrschung jahrelanges Lesetraining erfordert. Entsprechend kann der erforderliche Zeitraum für den Erwerb einer bestimmten Sprachstandsstufe im Chinesischen mindestens doppelt so hoch wie für eine europäische Sprache angesetzt werden.

Begehrte Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt

Eine möglichst frühe Beschäftigung mit China und der Fremdsprache Chinesisch stellt daher eine ideale Voraussetzung für eine spätere Sprachmittlertätigkeit dar. Für deutsche Muttersprachler ist (auch im Falle der Belegung von Chinesisch als Schulfach) zunächst ein chinawissenschaftlicher Studiengang mit hohem Sprachausbildungsanteil sowie ein Sprachstudium von mindestens einem Jahr im chinesischsprachigen Kulturraum zu empfehlen, um Mittelstufenkenntnisse der chinesischen Sprache und regionalwissenschaftliche Grundlagen zu erreichen. Ein Abschluss eines technischen, wirtschafts- oder naturwissenschaftlichen Fachstudiums bei gleichzeitigen hervorragenden Chinesischkenntnissen stellt natürlich eine seltene, auf dem Arbeitsmarkt ausgesprochen begehrte Qualifikation dar.

Masterstudiengänge

Wer sich in dieser Zeit über das Studium hinaus (z.B. im Rahmen von Praktika) durch erste Übersetzungen oder erfolgreiches Begleitdolmetschen bewährt, dem seien entsprechende Masterstudiengänge zur Übersetzerausbildung empfohlen, die im deutschsprachigen Raum derzeit an der Universität Bonn, Universität Mainz/Germersheim und der privaten Hochschule für Angewandte Sprachen München angeboten werden. An diesen Hochschulen bestehen auch auf diese Masterstudiengänge gezielt hinführende BA-Studiengänge.

Der Beruf des Dolmetschers und Übersetzers und die entsprechenden Bezeichnungen sind bis heute nicht gesetzlich geschützt. Im Regelfall kann man jedoch nur als Diplom-Übersetzer/Diplom-Dolmetscher, Staatlich geprüfter Übersetzer/Dolmetscher oder Geprüfter Übersetzer/Geprüfter Dolmetscher (IHK) in die entsprechenden Berufsverbände aufgenommen werden.

Professionelle Arbeitserfahrung

Nur an der Hochschule für Angewandte Sprachen München wird seit 2007/08 ein Masterstudiengang „Konferenzdolmetschen“ für alle Sprachen einschließlich Chinesisch angeboten. Ansonsten qualifizieren sich Dolmetscher durch jahrelange nachgewiesene professionelle Arbeitserfahrung, die letztlich zur Aufnahme in die entsprechenden Verbände VKD (Verband der Konferenzdolmetscher im BDÜ) und AIIC (Association Internationale des Interprètes de Conférence) führt.

Ein neues Konferenzsystems wird an der TU Chemnitz getestet, Foto: TU Chemnitz/Heiko Kießling
Konferenzsystem an
der TU Chemnitz, Foto: TU
Chemnitz/Heiko Kießling
So finden sich auf dem Markt häufig „Übersetzer“ und „Dolmetscher“, die keine entsprechende Ausbildung oder Prüfung durchlaufen haben, und es ist festzustellen, dass immer wieder unerfahrenen oder unprofessionellen Muttersprachlern des Deutschen oder Chinesischen die enorme Verantwortung eines Fachübersetzers oder Dolmetschers übertragen wird, was zu teuren Missverständnissen, Loyalitätskonflikten und Rechtsunsicherheiten führen kann. Auch Zweisprachigkeit bedeutet gerade im chinesisch-deutschen Sprachkontakt keinesfalls zwangsläufig eine Begabung für die Tätigkeit als Sprachmittler, da gerade im Sprachenpaar Chinesisch-Deutsch die schriftliche Sozialisation (Literalisierung) meist nur in einer der Sprachen erfolgt ist.

Hohe Sensibilität für kulturelle Unterschiede

Professionelle Übersetzer und Dolmetscher verfügen durch eine fundierte Ausbildung über Sprachanalysefähigkeit, Fähigkeit zur fachterminologischen und dokumentarischen Recherche und Anlage von Datenbanken, kritische Reflexion ihrer Tätigkeit und über eine hohe Sensibilität für kulturelle Unterschiede und deren Überwindung. Kaum ein Übersetzer kann sich über literarisches Übersetzen finanzieren, die meisten Sprachmittler bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Sachtexten und Präsentationen aus Arbeitsfeldern wie Finanzwirtschaft, Pharmazie, Verfahrenstechnik, Patentrecht etc. Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass ein Teil der deutsch-chinesischen Fachkommunikation auf Englisch stattfindet, so dass Englisch als Drittsprache oft eine wesentliche Stütze für erfolgreiche Sprachmittlung darstellt. Auch lassen sich viele terminologische Fragen nur im Rückgriff auf englisch-chinesische Referenzwerke und Datenbanken klären, so dass auch eine Ausbildung im anglophonen Raum in Erwägung gezogen werden könnte.

Der Bedarf an professionellen Dolmetschern und Übersetzern des Chinesischen in Europa wird in den nächsten Jahrzehnten weiter zunehmen, so dass entsprechend begabten Kandidatinnen und Kandidaten das Anstreben einer solchen Tätigkeit nachdrücklich empfohlen werden kann.
Text: Dr. Andreas Guder
Vorsitzender des Fachverbands Chinesisch e.V.
Copyright: Deutsch-Chinesisches Kulturnetz
August 2008
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